Wie ein Deutscher Milliarden in Asien investiert

Frankfurter Allgemeine Zeitung (2014):

Wie ein Deutscher Milliarden in Asien investiert 

Horst Geicke besaß zuerst Nähfabriken in Hongkong, jetzt baut er das Deutsche Haus in Saigon

Eigentlich wollte Sigmar Gabriel zum Spaten greifen. Als Krönung seiner Reise nach Vietnam und der Teilnahme an der Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft in Saigon hätte der deutsche Minister den ersten Spatenstich für das Deutsche Haus dort tun können. Der geplante Glasbau wird 110 Meter hoch sein und liegt im Zentrum der Wirtschaftsmetropole. Seine Entstehungsgeschichte ist eine Geschichte voller Irrungen und Wirrungen. Doch war es nicht Gabriel, der den Spaten in die Erde Saigons drückte – diese Ehre soll Außenminister Frank-Walter Steinmeier zukommen, wenn er im März nach Vietnam reist. Denn das Auswärtige Amt hat einen nicht unbeträchtlichen Anteil am deutschen Hochhaus in Südvietnam.

Drahtzieher ist Horst F. Geicke. Der Mann, auf dessen Visitenkarte „Chairman & CEO, Investor“ prangt, ist ein Multimillionär aus Hongkong mit Hamburger Wurzeln. Er baut das Deutsche Haus in Saigon zusammen mit zwei Partnern. Das Gerücht, er sei der zweitreichste Deutsche in Asien, kontert Geicke mit einer Gegenfrage: „Wer ist denn dann der reichste?“ Das Hochhaus in der vietnamesischen Geschäftsmetropole plane er als Beschäftigung in der Rente.

Geicke kann es sich leisten, selbstbewusst aufzutreten. Sein Geld hat er in Hongkong mit Nähfabriken für Boss und Puma gemacht („Ich habe Puma mit Ferrari zusammengebracht!“). Er baute unter anderem mit Richard Li, dem Sohn des reichsten Asiaten Li Ka-shing, Wohnungen, gründete später zwei Investmentunternehmen mit einem Anlagevolumen von rund 15 Milliarden Dollar. Heute ist Geicke als Gründer der Pacific Alliance Group mit einem Wert von rund 13 Milliarden Dollar einer ihrer vier großen Anteilseigner. Schon 1995, auf einer Reise mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, der Vietnam immer China vorzog, entdeckte Geicke dann das Potential des Mekong-Landes.

An jener Reise nahm auch ein gewisser 17 Jahre alter Lars Windhorst aus Rahden teil, damals ein Zögling Kohls. Windhorst wollte ein Hochhaus am Me Linh Platz in Saigon bauen. Er scheiterte kläglich. Geicke hingegen kannte Asien, sah seine Chance und griff zu: Er kaufte Windhorsts Grundstück für 3,5 Millionen Dollar und reichte es später für 8 Millionen Dollar weiter. „Das war mein Deal und Einstieg in Vietnam“, sagt Geicke. Während Windhorst in den Folgejahren noch die eine oder andere Pleite hinlegte, wächst hier heute der Büroturm der Vietcom Bank heran. Mit seinem Gewinn gründete Geicke den Vietnam Opportunity Fund, der drei Jahre später 1,2 Milliarden Dollar schwer war. „Ich erarbeitete mir einen guten Ruf in Vietnam“, sagt er trocken. Er saß in den Verwaltungsräten von Hilton, Sofitel und dem BMW-Importeur in Vietnam.

Eine überaus schmutzige Scheidung von seiner in Harvard ausgebildeten Frau Katherine Yip kostete ihn die Vina Capital Group, die er auf 2,3 Milliarden Dollar taxiert, und jede Menge Nerven – im Rosenkrieg setzte seine heutige Exfrau auch eine internationale PR-Agentur ein. „Schnee von gestern“, sagt Geicke. Sohn und Tochter aus dieser Ehe studieren beide in Amerika. Geicke hat eine neue Familie in Vietnam gegründet, und hat drei kleine Kinder; Weihnachten wird er seine Lebensgefährtin in Hawaii heiraten.

Beruflich kümmert er sich um seinen „Turm“. Er fand heraus, dass die Bundesrepublik Ende Dezember 1960 ein 3500 Quadratmeter großes Stadtgrundstück in Saigon erworben hatte, um es für diplomatische Zwecke zu nutzen. Nach dem Fall Saigons 1975 fiel es an den vietnamesischen Staat zurück, die Bundesrepublik wurde enteignet. 2011 bekam Deutschland dann ein Nutzungsrecht für 99 Jahre zugesprochen. Nun begann der Verhandlungsmarathon. Mit der Stadtregierung, mit dem Bezirk, mit der Regierung in Hanoi, mit acht Ministerien in Berlin. Auf dem Gelände hatten Günstlinge der Parteibonzen längst ein Einkaufszentrum errichtet, auch deutsche Diplomaten bremsten Geicke zunächst. „Mir kam zugute, dass ich in Hongkong schon einmal Bundeseigentum gekauft hatte“, sagt er. Trotzdem gingen Tage, Monate, Jahre dahin. Nach einer Ausschreibung erhielt der heute 58-Jährige von Berlin das Recht, das Filetgrundstück zu bebauen.

Die Investitionssumme für den 25 Stockwerke hohen Turm mit seinen 30 000 Quadratmetern „erstklassiger Bürofläche“ liegt bei rund 100 Millionen Dollar, geplant wird mit besten deutschen Bauteilen, und das deutsche Konsulat bekommt nach Fertigstellung 2017 kostenfrei die sechste Etage zugesprochen. Mit Siemens, Thyssen und Jürgen Fitschen, dem Ko-Chef der Deutschen Bank, hat Geicke schon über Vermietungen gesprochen. Der Entwurf des Hauses stammt vom deutschen Architektenbüro GMP Gerkan, Marg und Partner, die auch schon das futuristische Stadtmuseum in Hanoi gebaut haben. In Deutschland leiden die Architekten mit ihrem Endlos-Bau des Flughafens Berlin Brandenburg.

Geicke ist Realist genug, um seine Chancen einschätzen zu können: „Ich mache das hier als Investor, nicht als Wohltäter“, sagt er. Gewinn erwartet er aus dem Deutschen Haus erst nach 15 Jahren – die Spanne sollte etwa acht Jahre betragen. Dreißig Jahre beträgt das Nutzungsrecht, dann fällt das Deutsche Haus an den deutschen Staat – bis dahin also müssen Geicke und seine Partner ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben.

Geld genug, um die Wartezeit zu überbrücken, haben zumindest zwei von ihnen. Auf dessen Asienreise vor vier Jahren traf Geicke erstmals Bernd Dietel, den Journalisten schon mal als „aufbrausenden Mann“ beschreiben. Dietel arbeitete als Bauträger, verdient sein Geld heute mit Sicherheitstechnik in seinem Unternehmen Simon Voss und der Ausgründung Armatix, die Waffen und Blockiersysteme herstellt. Geschäftsführer dort ist Ernst Mauch, der frühere Entwicklungschef der Waffenschmiede Heckler & Koch. Dietel kämpft an vielen Fronten, legte sich mit Heckler & Koch an, finanzierte einen serbischen Fernsehsender, verklagt das ZDF, wenn es sein muss. „Wir beide haben ein starkes Ego“, sagt Geicke kurz und bündig. Als Dietel früher aus dem Vietnam-Projekt aussteigen wollte, holte Geicke einen dritten Investor an Bord, der ausgleichend wirken soll: Das ist Horst Pudwill, ebenfalls Deutscher, ebenfalls seines eigenen Glückes Schmied: 1975 kam er als Volkswagenverkäufer nach Hongkong. Heute schätzt Forbes den Besitz Pudwills, der erst 1985 den Maschinenhersteller Techtronic Industries in Hongkong gegründet hatte, auf mehr als eine Milliarde Dollar.

CHRISTOPH HEIN

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2014, Nr. 289, S. 29

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