Handelsblatt (2014):
Horst Geicke – Der Strippenzieher
In Ho-Chi-Minh-Stadt setzt sich der Hamburger Unternehmer mit dem „Deutschen Haus“ ein Denkmal.
Er gründete zwei Investmentfirmen, die heute knapp 15 Milliarden US-Dollar verwalten, doch beinahe wäre seine Karriere an Cashewkernen gescheitert. Davon hatte Horst Geicke 1981 nämlich drei Tonnen von seinem ersten Messebesuch im chinesischen Kanton mitgebracht – anstelle der vom Vater bestellten Champignons, die in dessen Hamburger Konservenfabrik verarbeitet werden sollten. Als der mit den Worten „unfähig fürs Familiengeschäft“ reagierte, „ging ich nach Hongkong und machte dort mein Glück“, erzählt Geicke. Dabei schaut er aus dem Fenster seines Penthouse auf die Skyline von Vietnams Wirtschaftsmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt. Heute ist der 58-jährige Starinvestor einer der prominentesten deutschen Unternehmer in Fernost.
Und damit nicht genug. Jetzt setzt sich „the German Tycoon“, wie ihn Freunde nennen, mit dem Bau des Deutschen Hauses in Ho-Chi-Minh, dem früheren Saigon, ein Denkmal. Ohne Geicke wäre der 110 Meter hohe Wolkenkratzer, für den am heutigen Montag der erste Spatenstich erfolgt, nicht denkbar. Als der Investor feststellte, dass die Bundesrepublik zwar seit 1960 in bester Lage ein Grundstück von 3500 Quadratmetern besaß, es aber nicht nutzte, alarmierte er Politiker und Beamte und warb für eine Umwidmung des ursprünglich nur für „diplomatische Zwecke“ nutzbaren Areals. Zugleich warb er bei der sozialistischen Stadtregierung für die Rückgabe des Geländes, das einer ihrer Günstlinge okkupiert und ein Shoppingcenter darauf errichtet hatte.
Doch lange sah es für Geickes Pläne nicht gut aus. Konfliktscheue deutsche Diplomaten drängten ihn, „keine schlafenden Hunde zu wecken“. Doch nach der gewonnenen EU-weiten Ausschreibung im vergangenen Jahr bringen Geicke und sein Partner Bernd Dietel für den Bau des 28 Stockwerke hohen Wohn- und Bürogebäudes mit knapp 40 000 Quadratmetern Fläche nun 100 Millionen Euro auf.
Der Wolkenkratzer „stellt mit seiner ausgetüftelten Kühlung einen Quantensprung in der Nachhaltigkeit von Bautechnologie in Asien dar“, sagt Projektleiter Thomas Herber. Außerdem ist es ein Novum, dass das Gebäude als öffentlich-private Partnerschaft hochgezogen wird. Ab 2017 soll dann neben Mittelständlern auch der deutsche Konsul einziehen.
Geickes Projekten ist immer wieder Erfolg beschert. Schon fünf Jahre nach der Geschichte mit den Cashewkernen baute der Hamburger für Puma und Hugo Boss die Produktion in China auf. Auf der ersten Reise von Helmut Kohl 1995 nach Vietnam erkannte der Asienexperte, der den damaligen Bundeskanzler begleitete, dass dem sozialistischen Land in Südostasien ein ähnlicher Boom wie China bevorstehen würde. Er gründete 2003 mit fünf Millionen US-Dollar die Kapitalgesellschaft Vina-Capital, die in den vietnamesischen Markt investierte. Drei Jahre später war das Fondsvermögen auf über zwei Milliarden US-Dollar angewachsen.
Sein Erfolgsrezept? Er gehe nie als Erster in einen schwierigen Markt. Lieber picke er die Rosinen, wenn die erste Pleitewelle ein Schwellenland erfasst hat. Was er hasst, sind Jasager: „Ohne den Wiederspruch verlässlicher Leute vor Ort wäre ich nie so weit gekommen“, sagt Geicke.
Privat bewies der Starinvestor ein weniger sicheres Händchen: Der Scheidungskrieg mit seiner chinesischen Frau füllte jahrelang die Klatschspalten. Dass sie mehr als 50 Prozent seines Vermögens bekam, verhinderte zudem, dass Geicke in die „Forbes“-Liste Hongkongs aufgenommen wurde.
Handelsblatt (2014): 17. November 2014, Nr.221, S.46
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