„German Tycoon“

Börse Online (2017):

„German Tycoon“

Der Vater, der in Hamburg eine Konservenfabrik besaß, hielt nicht viel von den unternehmerischen Fähigkeiten seines Sohnes. Deshalb suchte Horst Geicke mit 26 Jahren sein Glück in Hongkong. Heute ist er der wahrscheinlich erfolgreichste deutsche Investor in Asien.

Es fing unspektakulär an. In den Schulferien arbeitete der junge Horst Geicke im elterlichen Betrieb in Hamburg-Altona am Fließband. Für drei Mark die Stunde. Da die Firma auch Waren aus Taiwan importierte, kam Horst früh in Kontakt mit Asien. Asien gefiel ihm. Die Leute würden dort viel härter arbeiten, und es gehe alles viel schneller als in Europa, sollte er später erzählen.

Nach seinem Studienabschluss – er hatte in Hamburg BWL und Wirtschaftsrecht studiert – schickte ihn sein Vater 1981 zu einem Messebesuch nach China. Sein Auftrag: in der Stadt Kanton Champignons einkaufen, die in der elterlichen Konservenfabrik verarbeitet werden sollten. Statt mit Champignons kehrte der Sohn mit drei Tonnen Cashewnüssen nach Hamburg zurück. Die Reaktion des Vaters: Horst sei „unfähig fürs Familiengeschäft“.

Der so gescholtene Sohn zeigte Selbstbewusstsein. Er begann ein neues Leben in Hongkong und machte sich dort mit einem eigenen Unternehmen selbstständig. Er gründete Nähfabriken, baute für Puma und Hugo Boss die Produktion in China auf und machte schnell Gewinne, die er in Immobilien investierte. Er arbeitete unter anderem mit Richard Li zusammen und baute mit ihm Luxusimmobilien. Li ist der Sohn von Li-Kashing, dem reichsten Chinesen, der aus dem Mischkonzern Hutchison Whampoa eine der Perlen der globalen Wirtschaft gemacht hatte.

„Während die Industrie Asien zunächst als verlängerte Werkbank und später als Absatzmarkt sah, entdeckte er die Region früh für Kapitalanlagen“, schrieb das „Manager Magazin“ über Geicke. Er brach aus der Modeproduktion aus und stieg 1995 bei einer Hongkonger Investmentboutique ein. Drei Jahre später gründete er seine eigene Investmentfirma. Er nannte sie Pacific Alliance Group (PAG), in der er immer noch Partner und – mit einem 20-Prozent-Anteil – Mitbesitzer ist. Geicke schätzt den Wert des Unternehmens heute auf zwei Milliarden Dollar.

PAG managt inzwischen ein Anlagevolumen von rund 18 Milliarden Dollar. Laut „Manager Magazin“ stammt das Kapital von Staatsfonds wie Temasek aus Singapur, von Pensionsfonds, Stiftungen amerikanischer Universitäten und renommierten Family Offices wie Bloomberg oder Kamprad (Ikea). PAG investiert fast ausschließlich in Immobilien und Unternehmen im asiatisch-pazifischen Raum.

Zu den wichtigsten Beteiligungen von PAG gehört der amerikanische Druckerhersteller Lexmark. Der Fonds investierte zusammen mit dem chinesischen Tinten- und Tonerhersteller Apex 3,6 Milliarden Dollar in Lexmark, weil das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit in Asien erweitern will. Außerdem finanziert PAG die Auslandsexpansion chinesischer Unternehmen, die kein Geld aus der Volksrepublik transferieren können. Geickes Finanzgruppe schießt ihnen Dollar vor und erhält das Geld in der chinesischen Währung Yuan zurück.

Genialer Netzwerker

Geickes Erfolgsrezept? Er gehe nie als Erster in einen schwierigen Markt, verriet er dem „Handelsblatt“. Lieber picke er die Rosinen, nachdem die erste Pleitewelle ein Schwellenland erfasst habe.

Für Geicke ist China innerhalb Asiens in Bezug auf die Investmentprioritäten die absolute Nummer 1. „Wir investieren dort vor allem in lokale Unternehmen, die vom wachsenden Konsum profitieren“, erklärte er in einem Interview. „Die Mittelschicht nimmt jedes Jahr um 30 bis 40 Millionen Menschen zu. Zudem findet eine gewaltige Urbanisierung statt, die den Konsum zusätzlich ankurbeln wird“.

Freunde in Asien nennen ihn den „German Tycoon“. Er sei ständig auf der Jagd nach Rendite, schrieb die Presse, sein Leben sei ein permanenter Dealflow. Und er gilt als genialer Netzwerker: Mit vielen Wirtschaftsgrößen in Europa und Asien ist er per Du, er besucht regelmäßig das World Economic Forum in Davos und ist in Verbänden, Handelskammern und Stiftungen engagiert. In Vietnam saß er in den Verwaltungsräten von Hilton, Sofitel und dem BMW-Importeur Euro-Auto.

1995, während einer Reise mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl nach Vietnam (an der auch das damals 17-jährige „Wunderkind“ Lars Windhorst teilnahm), entdeckte Geicke das wirtschaftliche Potenzial des sozialistischen Lands am Mekong. Er ahnte, dass Vietnam ein ähnlicher Boom wie in China bevorstehen würde. Als Windhorst scheiterte, im Zentrum von Saigon – jetzt Ho-Chi-Minh-Stadt – ein Hochhaus zu bauen, erstand Geicke das Grundstück für 3,5 Millionen Dollar und verkaufte es später für acht Millionen. „Das war mein Einstieg in Vietnam.“
Mit dem Gewinn gründete Geicke 2003 die Kapitalgesellschaft VinaCapital, die in den vietnamesischen Markt investierte. VinaCapital engagierte sich auch im sozialen Bereich, zum Beispiel durch die Finanzierung von Herzoperationen als Spätfolge des Vietnamkriegs.

Die Scheidung von seiner Frau Katherine kostete ihn aber einen beträchtlichen Teil seines Vermögens. Angeblich waren es mehr als 50 Prozent. Es wurde eine schmutzige Scheidung, die Ehefrau setzte sogar eine PR-Agentur ein. Der Rosenkrieg, der teils in Hongkong auf offener Straße in Handgreiflichkeiten mündete, füllte jahrelang die Klatschspalten.

Heute ist Geicke mit einer vietnamesischen Frau verheiratet, das Paar hat drei Töchter im Alter von vier, sechs und neun Jahren und besitzt Wohnungen in Ho-Chi-Minh-Stadt und Hongkong.

Ho-Chi-Minh-Stadt gilt als einer der dynamischsten Orte der Welt und zieht Immobilieninvestitionen an wie ein Magnet. In bester Citylage baute Geicke einen 25 Stockwerke hohen Bürokomplex, den er unter dem Namen „Deutsches Haus“ als erste Anlaufstelle für die deutsche Wirtschaft in Vietnam vermarktet. Den ersten Spatenstich für das vom Stararchitekten Meinhard von Gerkan entworfene Hochhaus, das modernste ökologische Richtlinien erfüllt und 30 000 Quadratmeter Bürofläche umfasst, machte der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Pech beim Fußball

In Saigon war Geicke zeitweise sogar Eigentümer der Internationalen Schule. „Die habe ich für sechs Millionen gekauft, weil der Besitzer klamm war, und fünf Jahre später für 30 Millionen verkauft“, verriet er dem „Manager Magazin“. Ein typischer Geicke-Deal.

Geicke liebt die angenehmen Seiten des Lebens. Er fährt Bentley, Porsche und einen Ferrari Spider, er besitzt eine 28-Meter-Yacht, liebt französischen Wein und hat mit Partnern den „Hongkong Wine Vault“ gegründet, das wertvollste Weinlager der Stadt, in dem sich Tausende von Kisten stapeln. Und er ist am englischen Zweitliga-Fußballklub FC Reading beteiligt. Im entscheidenden Spiel um den Aufstieg in die Premier League verlor sein Klub jedoch im Mai 2017 im Elfmeterschießen gegen Huddersfield Town. Diese Niederlage war eine der wenigen in seinem sonst so erfolgreichen Leben.

Börse Online, 9.11.-15.11.2017, Nr. 45, S. 96

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